Die CDU-Führung berät über den Umgang mit der AfD. Bereits vor der Klausur kam Fahrt in die Debatte. Grünen-Chef Banaszak fordert von Merz´ Partei eine „Kurskorrektur“.
Berlin – In Teilen der Union wird erneut am Umgang mit der AfD gerüttelt. Befeuert hatten die Debatte Anfang der Woche ehemals einflussreiche Unionspolitiker: Der frühere CDU-Generalsekretär Peter Tauber und Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatten sich gegenüber dem Stern für eine Lockerung der sogenannten Brandmauer zur AfD ausgesprochen. Und auch einige ostdeutsche CDU-Politiker schlossen sich dem Vorstoß öffentlich an.
Wie umgehen also mit der in Teilen rechtsextremen Partei? Mit dieser Frage soll sich nun auch die CDU-Führung befassen: bei einer Klausurtagung am Sonntag und am Montag (17. und 18. Oktober). Bei dem Treffen will sich die CDU für die Landtagswahlen im kommenden Jahr aufstellen und dabei soll unter anderem der Umgang mit der AfD auf der Tagesordnung stehen. Dabei dürfte es jedoch weniger darum gehen, die sogenannte Brandmauer einzureißen, das lehnen die Führungen von CDU und CSU ab, sondern vielmehr um die Frage, wie die Union ihre Ankündigung, die AfD kleinzuhalten, in die Tat umsetzen will.
AfD-Debatte bei CDU und CSU: Grünen-Chef beklagt „Lockerungsübungen gegenüber rechtsextremer Partei“
Deutliche Kritik kommt vor der CDU-Klausur von Seiten der Opposition. „Die Lockerungsübungen gegenüber einer gesichert rechtsextremen Partei, die einige in der Union gerade vollziehen, bereiten mir große Sorgen“, erklärt Grünen-Parteichef Felix Banaszak gegenüber der Frankfurter Rundschau von Ippen.Media. Und fragt: „Haben die Konservativen aus dem Versagen der Demokraten in der Weimarer Republik nichts gelernt?“
„Es ist bezeichnend, dass insbesondere diejenigen, die es bisher nicht geschafft haben, die AfD kleinzuhalten, jetzt einen neuen Kurs einfordern“, wirft Banaszak der CDU vor. Den Vorwurf, die AfD mit ihrer Politik gestärkt zu haben – oder jedenfalls nicht kleinzukriegen – warfen sich Grüne, SPD, Union und FDP in den vergangenen Jahren immer wieder gegenseitig entgegen, wenn es um Erklärungsversuche für Aufstieg der AfD ging.
Banaszak warnt vor CDU-Annäherung an AfD: „Wer Themen und Inhalte übernimmt, stärkt das Original“
Der Grünen-Chef erklärt nun mit Blick auf die Debatte um einen neuen AfD-Kurs der Union: „Wir wissen doch längst aus Studien und aus bloßer Betrachtung der Lage: Eine stete Anbiederung und inhaltliche Annäherung an Rechtsaußen stärkt nur die AfD“, und schlussfolgert: „Wer Themen und Inhalte übernimmt, stärkt das Original.“ Von der CDU fordert Banaszak eine „Kurskorrektur“ – jedoch in eine andere Richtung: „Hin zur staatspolitischen Verantwortung und einer glasklaren Ablehnung dieser rechtsextremen Partei, auch auf Landes- und kommunaler Ebene.“
Merz lehnt AfD-Zusammenarbeit ab und wirft seine Autorität als CDU-Chef in die Waagschale
Bundeskanzler Friedrich Merz schaltete sich infolge der Debatte und mit Blick auf die CDU-Klausur ebenfalls ein und stellte bei einem Bürgerdialog in Meschede klar: „Es gibt zwischen der CDU und der AfD keine Gemeinsamkeit.“ Die AfD stehe gegen die Europäische Union, gegen die Europäische Währungsunion, gegen die Nato, gegen die Wehrpflicht und somit gebe es vielmehr „fundamentale Unterschiede“ zwischen CDU und AfD. Es gebe keine Zusammenarbeit mit einer Partei, die alles infrage stelle, was Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten stark gemacht habe – „jedenfalls nicht unter mir als Parteivorsitzenden der CDU Deutschlands“, zitiert die Deutsche Presse-Agentur den Kanzler.
Jedoch gelingt die von Banaszak geforderte Ablehnung der AfD – auch auf Landes- und kommunaler Ebene – nicht zuletzt in Teilen der Union nicht mehr. Merz äußerte sich in der Vergangenheit gelassen, was Kooperation mit der in Teilen gesichert rechtsextremen Partei auf kommunaler Ebene anbelangt. „Wissen Sie, wenn über Kindergärten oder Straßenführungen entschieden wird, dann ist das ja keine parteipolitische Zusammenarbeit. Dann ist es eine pragmatische Entscheidung vor Ort und wir können uns auch von der AfD nicht von dem richtigen Weg abbringen lassen, weil sie möglicherweise einem Beschluss der CDU zustimmt“, sagte der Kanzler im Gespräch mit MDR AKTUELL Anfang Oktober. Dass Merz in Sachen Zusammenarbeit scheinbar eine andere Definition zugrundelegt, als es etwa die Grünen tun, hatte sich bereits im Januar bei einer Abstimmung im Bundestag gezeigt.
Zusammenarbeit mit der AfD – eine Definitionsfrage?
Die Union hatte damals im Parlament versucht, eine Verschärfung der Migrationspolitik durchzudrücken. Eine Mehrheit hatte der Antrag nur erlangt, weil auch die AfD zustimmte. Während die AfD feierte, kam von Grünen, Linken, aber von Seiten des heutigen Koalitionspartners SPD deutliche Kritik. Merz äußerte später Bedauern über den Vorgang; den Vorwurf einer Zusammenarbeit mit der AfD wies der CDU-Chef jedoch zurück.
In Teilen Ostdeutschlands könnte sich Merz‘ Ausschluss einer Zusammenarbeit mit der AfD jedoch unabhängig von der Definition schwierig gestalten. Im September werden in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern die Parlamente neu gewählt. In beiden Ländern kommt die AfD in jüngsten Umfragen an die 40 Prozent heran und ist mit weitem Abstand stärkste Partei. Eine Regierungsbildung ohne die AfD wird immer schwieriger.
CDU-Führung berät in Klausur über Umgang mit der AfD
Der Aufwärtstrend der AfD zeigt sich aber nicht nur in ostdeutschen Bundesländern – auch bundesweit liefert sich die Partei in aktuellen Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Union. Während Grüne, Linke und SPD für ein AfD-Verbotsverfahren argumentieren, zeigt sich die Union dabei skeptisch. Und auch Merz betonte nun diesen Kurs: Man müsse sich vielmehr in der Sache mit der AfD auseinandersetzen und den Wählerinnen und Wählern ein gutes Angebot machen, sodass sie gar nicht auf den Gedanken kämen, erneut diese Partei zu wählen.
Bei der CDU-Klausur dürfte es genau darum gehen, oder, wie es der stellvertretende CDU-Vorsitzende und sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer in der ARD-Sendung „Maischberger“ ausdrückte: „Das wirklich Zentrale ist, dass wir über die Ursachen sprechen, warum Menschen diese Partei wählen. Wie die Frage, warum sie an der Demokratie zweifeln.“ Am Montag werden Merz und Generalsekretär Carsten Linnemann die Ergebnisse der Klausurtagung auf einer Pressekonferenz vorstellen. (dpa, AFP, eigene Recherche) (pav)