Stadträte fühlen sich „veräppelt“: Nun zückt die Kommune ein scharfes Schwert

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In diesen Containern, die bereits seit Wochen auf dem Grundstück an der Königsdorfer Straße 40 in Wolfratshausen stehen, sollen Asylbewerber untergebracht werden. Das Vorhaben des Investors lehnen Bürgermeister und Stadträte vehement ab. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Zum wiederholten Mal haben die Wolfratshauser Stadträte die beantragte Erweiterung einer Asylunterkunft abgelehnt. Nun soll dem Vorhaben endgültig ein Riegel vorgeschoben werden.

Wolfratshausen – Den Mitgliedern des Bauausschusses des Stadtrats riss in ihrer Sitzung am Mittwochabend der Geduldsfaden. Zum wiederholten Mal lehnte das Gremium die vom Investor beantragte Erweiterung der Flüchtlingsunterkunft an der Königsdorfer Straße 40 ab. Nun soll der Stadtrat zeitnah mittels einer Veränderungssperre diesen Plänen grundsätzlich einen Riegel vorschieben.

Bis dato bilden eine ehemalige Werkstatt und ein ausrangierter Lokschuppen die neue Heimat von bis zu 150 Asylbewerbern an der Königsdorfer Straße 40. Vor einigen Wochen bat der Eigentümer, eine leer stehenden Betriebsunterkunft zur Unterbringung von 16 weiteren Asylsuchenden umbauen sowie zusätzliche Duschcontainer und Toiletten aufstellen zu dürfen. Der Stadtrat sagte Nein – zum selben Ergebnis kam der Bauausschuss Ende September, als der Antrag wieder auf der Agenda stand.

Container sollten nach Geretsried transportiert werden

Nun unternahm der Investor einen erneuten Anlauf: Die Errichtung einer Containeranlage auf dem knapp 3000 Quadratmeter großen Grundstück, bestehend aus sechs Schlafcontainern, die Platz für 48 Betten bieten. Mit der Belegung wäre die erlaubte Gesamtzahl von 150 Bewohnern erreicht.

Kritik an den Containern, die bereits seit geraumer Zeit auf dem Areal stehen, hatte im September Renate Tilke (CSU) geäußert. Die damalige Auskunft von Rathauschef Klaus Heilinglechner (Bürgervereinigung): Die Container würden laut Landratsamt „dort nur zwischengelagert“ und sollten nach Geretsried „weitertransportiert werden“. Dass nun geplant sei, die Container als Schlafstätten an Ort und Stelle zu belassen, „hat mich – vorsichtig formuliert – überrascht“, so Heilinglechner am Mittwoch.

Grüne: Menschen nicht „wie in einer Sardinenbüchse“ unterbringen

„Wir werden nach Strich und Faden veräppelt“, stellte sein Fraktionskollege Michael Baindl empört fest. Er warf dem Investor „Salamitaktik“ vor, die Bürgervereinigung werde den Antrag ablehnen. Dasselbe galt für Richard Kugler (Wolfratshauser Liste) und auch Hans-Georg Anders (Grüne) war nicht bereit, seine Hand für eine Containeranlage zu heben. Menschen „wie in Sardinenbüchsen“ unterzubringen, komme für ihn nicht in Frage. Zudem sei ein Containerdorf „auch städtebaulich alles andere als hinnehmbar“.

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„Fast monatlich“ behellige der Investor die Stadtverwaltung und politische Gremien mit Änderungswünschen, monierte Gerlinde Berchtold (SPD). Das Vorgehen des Landratsamts – das als Genehmigungsbehörde das sogenannte gemeindliche Einvernehmen der Stadt ersetzen kann – sei in diesem Zusammenhang „nicht mehr nachvollziehbar“. Berchtold schlug vor, das Grundstück nach dem Beispiel der Stadt Geretsried mit einer Veränderungssperre zu belegen. Vereinfacht gesagt, kann eine Kommune mit einer solchen Entscheidung Bauvorhaben oder beabsichtigte Nutzungsänderungen verhindern, die den Zielen der Stadt oder Gemeinde widersprechen.

Veränderungssperre

Laut Baugesetzbuch können Städte und Gemeinden mit dem Erlass einer Veränderungssperre Vorhaben verhindern, die nicht den Planungen der Stadt beziehungsweise der Gemeinde entsprechen. Voraussetzung ist neben dem förmlichen Aufstellungsbeschluss, dass die Sperre zur Sicherung einer Planung dient, die zumindest in groben Zügen erkennbar sein muss. Die Veränderungssperre tritt nach zwei Jahren automatisch außer Kraft, kann aber zu diesem Zeitpunkt um ein Jahr verlängert werden. In dieser Zeit darf auf dem definierten Grundstück unter anderem keine Bauvorhaben durchgeführt und der Gebäudebestand nicht beseitigt werden.

Josef Praller (Bürgervereinigung) begrüßte Berchtolds Vorschlag. Eine Veränderungssperre sei „das einzige Mittel“, um weiteren Vorhaben auf dem Grundstück an der Königsdorfer Straße 40, die nicht im Interesse der Stadt seien, endgültig einen Riegel vorzuschieben. „Wir müssen handeln“, sagte Praller, der das Thema auf der Tagesordnung der nächsten Stadtratssitzung sehen will. Der Beschluss müsse allerdings „auf sicheren Füßen stehen“, das heißt juristisch wasserdicht sein, gab er zu bedenken.

Auf die Frage von Manfred Menke (SPD), ob eine Ablehnung des Antrags dazu führen könne, „dass uns wieder eine Turnhallen-Debatte droht“, verwies Rathauschef Heilinglechner auf ein Schreiben von Landrat Josef Niedermaier. Der habe den Bürgermeistern zugesichert, dass eine erneute Belegung von bereits geräumten Sporthallen wie der in Farchet Tabu sei. Angesichts der Ungewissheit, ob in den Wintermonaten die Zahl der Flüchtlinge wieder steige, „kann ich nicht sagen“, so der Bürgermeister, ob das tatsächlich das letzte Turnhallen-Wort sei.

Veränderungssperre: Berchtold stellt Antrag zur Geschäftsordnung

Gerlinde Berchtold machte Nägel mit Köpfen. Sie stellte einen Antrag zur Geschäftsordnung, der einstimmig angenommen wurde: Der Bauausschuss beantragt, dass der Stadtrat eine Veränderungssperre für das Grundstück an der Königsdorfer Straße 40 erlässt. Voraussichtlich schon in der Sitzung des Rats am Dienstag, 28. Oktober, werden die Mandatsträger darüber entscheiden. (cce)